Häufig fragen Kandidaten: Wie finden Sie mein Zeugnis? Klingt das vielleicht nach „überqualifiziert" oder nach „Überflieger"?
Meine erste Reaktion: Falsche Zurückhaltung ist ebenso fehl am Platz wie eine übertrieben positive Bewertung. Außergewöhnliche Leistungen sollten sich auch im Zeugnis wiederspiegeln. Ein sehr gutes Arbeitszeugnis ist anzusehen wie eine Referenz für Sie selbst.
Was wenige wissen: Die Rechtsprechung besagt, dass der Arbeitnehmer ein Anrecht auf ein wohlwollendes und somit positives Zeugnis hat. In der Praxis fallen neun von zehn Zeugnissen mindestens „gut" aus. Ein "gutes" Zeugnis ist somit ein durchschnittliches Zeugnis. Jede Beurteilung darunter muss von Ihrem Chef begründet werden.
Bitte gehen Sie davon aus, dass Zeugnisse sehr aufmerksam gelesen werden. Schließlich ist das Arbeitszeugnis - neben Ihren persönlichen Schilderungen - häufig das einzige Mittel für einen neuen Arbeitgeber, mehr über Sie und Ihr Arbeitsverhalten zu erfahren.
Was unterscheidet ein sehr gutes Zeugnis von einem Gefälligkeitszeugnis? In erster Linie sind es die ganz konkreten Beispiele, mit denen Ihre sehr guten und außergewöhnlichen Leistungen beschrieben sein sollten. Dazu gehören Ihre persönlichen Stärken, Ihre Kompetenzen und außergewöhnliche Erfolge. Haben Sie beispielsweise regelmäßig Mandantenveranstaltungen organisiert, bei denen alles perfekt lief, so sollte das im Zeugnis erwähnt sein. Ebenso, wenn Sie in Ihrer Kanzlei für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter verantwortlich waren oder Hauptansprechpartner für die Abrechnung oder Zwangsvollstreckung.
Aber: Zeugnisse, die an jeder erdenklichen Stelle mit Bestnoten versehen sind, wirken unglaubwürdig – vor allem dann, wenn diese Bewertungen nicht mit Beispielen hinterlegt sind. Natürlich sollen konstant gute Leistungen mit Angaben wie „stets sehr gut" oder „jederzeit einwandfrei" beschrieben sein. Aber eine Bewertung wie „jederzeit in bester Weise exzellent" wirkt eher unglaubwürdig.
Auch die Länge des Zeugnisses sollte in Relation zur Beschäftigungsdauer und dem Aufgabenumfang stehen. Ein dreiseitiges Zeugnis für ein auf zwei Monate befristetes Arbeitsverhältnis ist sicher übertrieben. Hingegen ist ein mehrseitiges Zeugnis erforderlich, um eine längerfristige Beschäftigung umfassend bewerten zu können.
Fazit: Top Leistungen sollten auch mit einem außergewöhnlich guten Zeugnis honoriert werden - mit der richtigen Bewertung und möglichst an konkreten Beispielen beschrieben. So entsteht ein wertschätzendes Arbeitszeugnis, das Ihre Stärken wiedergibt, ohne dabei zu übertreiben.
Tipp: Arbeitnehmer vergessen häufig, um ein Zwischenzeugnis zu bitten. Dies kann man verlangen, wenn der Vorgesetzte wechselt, Sie innerhalb der Kanzlei eine andere Aufgabe übernehmen oder beispielsweise befördert werden. Sich ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen, lohnt sich allemal. Denn niemand kann Ihnen garantieren, dass Sie mit Ihrem neuen Chef genauso gut zusammen arbeiten, wie mit dem alten.